Materialflüsse neu gedacht: Nachhaltig bauen im Kreislaufprinzip
Fensterbank eines Holzhauses
Der Bausektor zählt zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftsbranchen weltweit – allein in der Schweiz verursacht er rund 80 % des gesamten Abfallaufkommens. Angesichts knapper Rohstoffe und wachsender Umweltbelastung rückt das Konzept des zirkulären Bauens immer stärker in den Fokus. Ziel ist es, Materialien möglichst lange im Kreislauf zu halten, statt sie nach der Nutzung zu entsorgen. Doch wie lässt sich das Prinzip in der Praxis umsetzen – und welche Rolle spielen Planer:innen, Bauherrschaften und die Politik?

Was bedeutet zirkuläres Bauen?

Zirkuläres Bauen bezeichnet eine Bauweise, bei der Gebäude, Bauteile und Materialien so geplant, gefertigt und genutzt werden, dass sie nach Ende der Lebensdauer wiederverwendet, recycelt oder sortenrein rückgebaut werden können. Dies steht im Gegensatz zum linearen Modell „take – make – waste“, bei dem Rohstoffe abgebaut, verarbeitet, genutzt und schliesslich entsorgt werden.

Jede Wand, jedes Bauteil wird als temporäre Ressource betrachtet – mit dem Ziel, Materialien nach ihrer Nutzung in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen, statt sie zu deponieren oder zu verbrennen.

Materialflüsse im Bauwesen neu denken

Materialflüsse im Bauwesen umfassen die gesamte Reise eines Baustoffs – vom Rohstoffabbau über Produktion, Transport, Einbau, Nutzung, Rückbau bis zur Wiederverwertung. Um den Kreislauf zu schliessen, müssen sämtliche dieser Schritte überdacht werden:

  • Rohstoffe: Verwendung von nachwachsenden, rezyklierten oder sekundären Materialien statt Primärressourcen.
  • Herstellung: Ressourcenschonende, modulare und rückbaubare Bauprodukte fördern Kreislauffähigkeit.
  • Planung: Mithilfe von BIM (Building Information Modeling) können Materialien exakt erfasst und Rückbauprozesse vorbereitet werden.
  • Bauweise: Demontierbare Verbindungen (z. B. Schrauben statt Kleben) ermöglichen spätere Wiederverwendung.
  • Nutzung & Rückbau: Dokumentierte Gebäude erleichtern den Wieder- oder Weitergebrauch von Bauteilen.

 
Vorteile des zirkulären Bauens 
 Ökologische Vorteile

  • Weniger CO₂-Emissionen durch reduzierte Produktion von Zement und Stahl.
  • Weniger Abbau von Primärrohstoffen.
  • Reduzierter Deponieraumbedarf.

 
Ökonomische Vorteile

  • Geringere Entsorgungskosten.
  • Langfristige Werterhaltung der Materialien.
  • Neue Geschäftsmodelle durch Bauteilhandel oder Rücknahmegarantien.

 
Gesellschaftliche Vorteile

  • Neue Arbeitsplätze in Rückbau, Sortierung und Wiederverwertung.
  • Förderung lokaler Wertschöpfungsketten.
  • Bewusstseinswandel im Umgang mit Ressourcen.

 
Herausforderungen und Lösungsansätze

Trotz klarer Vorteile ist zirkuläres Bauen noch nicht der Standard – aus gutem Grund:

  • Rechtliche Rahmenbedingungen sind oft noch nicht auf Wiederverwendung ausgelegt.
  • Es fehlen wirtschaftliche Anreize für Recyclingmaterialien und rückbaufähige Konstruktionen.
  • Der Wissenstransfer ist unzureichend: Viele Planende und Bauherrschaften kennen das Konzept, aber nicht die konkrete Umsetzung.

 
Was jetzt notwendig ist

Die Politik muss durch gezielte Förderprogramme, gesetzliche Anpassungen und einen Ressourcenpass für Gebäude verbindliche Rahmenbedingungen schaffen. Nur so lassen sich die Vorteile flächendeckend realisieren.

Fazit: Bauen im Kreislauf ist die Zukunft

Zirkuläres Bauen ist keine Zukunftsvision mehr, sondern eine dringende Notwendigkeit. Es verbindet ökologische Verantwortung, wirtschaftliche Effizienz und gesellschaftliche Relevanz. Damit zirkuläres Bauen in der Schweiz zur Norm wird, braucht es das Zusammenspiel aller Beteiligten – von der Planung bis zum Rückbau. Denn nur durch intelligentes Ressourcenmanagement lässt sich der Bausektor nachhaltig gestalten.

Die Devise lautet: Wiederverwenden statt wegwerfen.